English Version
Facebook Instagram Twitter Pinterest Youtube RSS-Feed
Navigation
Der Sprung über den Polarkreis

Der Sprung über den Polarkreis

Verfasst von am am 08.03.2018 um 16:34.

Eine unsichtbare Linie verläuft über Finnland, Norwegen, Schweden, Russland, Alaska, Kanada, Grönland und Island - der nördliche Polarkreis. Nördlich von ihm erstrahlt die Mitternachtssonne in den Sommermonaten, während in den Polarnächten im Winter die Sonne gar nicht erst aufgeht.

Ende September, als wir durch Finnland reisten, befanden wir uns allerdings in einem Zeitraum, in dem die Sonne ungefähr zur selben Zeit wie in Mitteleuropa auf- und unterging. Sich nördlich des Polarkreises aufzuhalten, steigerte die Wahrscheinlichkeit, die Nordlichter am Himmel beobachten zu können. Ein Ereignis, auf das wir sehr hofften. 

Das Tor zum Norden

Die Hauptstadt von Finnisch-Lappland, Rovaniemi, liegt am Polarkreis und gilt als das Tor zum Norden. Über AirBnB fanden wir ein sehr günstiges kleines Apartment in der Stadt und beschlossen, gleich drei Nächte zu bleiben. 

In Rovaniemi gelang uns sogar ein Museumsbesuch.

Rovaniemi wurde gegen Ende des zweiten Weltkrieges von den Deutschen vollkommen zerstört und danach nach Plänen von drei Architekten komplett neu entworfen. Den Grundriss der neu aufgebauten Stadt bildete die Form eines Rentiergeweihs. Über die Geschichte der Stadt, aber auch über die Lebensbedingungen von Menschen, Tieren und Pflanzen in arktischen Gefilden haben wir im Museum “Arktikum” erfahren. Mit dem von außen weit sichtbaren Glasgewölbe, das wie ein riesiger Finger in Richtung Norden zeigt, ist das Museumsgebäude eine architektonische Attraktion der Stadt.

Weniger spektakulär anzusehen war hingegen der “Lordi-Platz” in der Stadtmitte, benannt nach der gleichnamigen Heavy-Metal Band die im Jahr 2006 trotz, oder gerade wegen, ihrer außergewöhnlichen Bühnenkostüme den Eurovision Song Contest gewonnen hatte. Der Sänger und Gründer der Band stammt aus Rovaniemi. 

Santa Clause is in Town

Rovaniemi gilt auch als offizieller Sitz der Kammer des Weihnachtsmannes, der ja angeblich am Polarkreis wohnt. Wenige Kilometer nördlich der Stadt befindet sich das “Santa Claus Village” wo der Weihnachtsmann höchst persönlich anzutreffen ist. Wir waren neugierig und beschlossen, ihm dort einen Besuch abzustatten.

Der "echte Santa" benutzt wohl Google Translate für die deutsche Sprache.

Als wir ankamen, hatten sich unsere Befürchtungen leider bestätigt: ein zu dieser Jahreszeit (kein Schnee!) wenig märchenhafter Freizeitpark mit Souvenirshops in der allerlei weihnachtlicher Ramsch zu Wucherpreisen verkauft wurde.

“Meet the real Santa” stand auf einer der Blockhütten. “Naja, wenn wir schon mal da sind, dann sollten wir die Gelegenheit nutzen”, waren wir uns einig, und betraten “Santa’s Werkstatt”.  Dort machten wir aber angesichts der unverhältnismäßig hohen Kosten für ein Treffen inklusive Foto mit dem “echten Weihnachtsmann” schnell wieder kehrt.

Im offiziellen Weihnachtsmann-Postamt auf dem Gelände kommen jährlich 250.000 Briefe von Kindern aus aller Welt an. Waren die Eltern so gewissenhaft und haben ein frankiertes Kuvert mitgeschickt, erhält der/die Schreibende auch einen Brief von Santa retour. 

Achtung, Rentiere!

Die Weiterfahrt von Rovaniemi durch Finnisch-Lappland fühlte sich ganz besonders an. Wir hatten den Polarkreis überquert und ich musste auf den ersten Kilometern Fahrt daran denken, dass wir uns, geographisch gesehen, nun in arktischen Gebiet aufhielten.

Noch bevor ich den Gedanken zu Ende führen konnte, wurde der G abrupt abgebremst. “Rentiere!”, schrie sein Fahrer und blieb am Straßenrand stehen. Ich griff nach der Kamera und wir machten enthusiastisch die ersten Fotos von Rentieren, die von uns völlig unbeindruckt und mit einer Seelenruhe über die Straße spazierten. 

Immer wieder liefen uns Rentiere über den Weg - im wahrsten Sinne des Wortes.

An so vielen Verkehrsschildern, die vor Rentieren (und Elchen) warnten, waren wir bereits vorbeigefahren und nun standen sie leibhaftig vor uns. Es war also wahr - in Lappland gibt es Rentiere! Sogar sehr viele, wie wir auf unser weiteren Reise noch feststellen konnten. Waren die ersten Sichtungen noch mit erhöhtem Puls und dem Zucken der Kamera verbunden, wurde es bald zur Gewohnheit diese wundervollen Tiere auf oder neben der Straße am Waldrand zu beobachten. 

Die Rentierzucht ist eng verbunden mit der Kultur der Samen, dem einzigen indigenen Volk innerhalb der Europäischen Union. Die Samen leben in den nördlichen Regionen Finnlands, Norwegens und Schwedens sowie in Teilen Nordost-Russlands. In Finnland zählt die samische Bevölkerung rund 9.000 EinwohnerInnen.

In Inari, einer Stadt am gleichnamigen See, besuchten wir das Sámi Kulturzentrum “Sajos”.  Dort befindet sich auch der Sitz des samischen Parlaments (Sámediggi), das die Interessen des Volkes nach Außen vertritt und sich für die Erhaltung ihrer gefährdeten Sprache und Kultur einsetzt.

Im Rausch der Herbstfarben

Lappland Ende September glich einem Meer aus erdigen Farbtönen. Die Färbung des Herbstlaubs, von den FinnInnen „ruska“ genannt, ist ein Phänomen, das die nördliche Landschaft jedes Jahr in kräftige Braun-, Gelb- und Rottöne taucht. Auch die Blaubeeren im Wald waren reif und wir konnten nicht widerstehen, sie direkt vom moosigen Waldboden zu naschen. 

Die letzten Kilometer in Finnland waren sehr einsam, die Landschaft wurde karger, bei den wenigen vorhandenen Bäumen war die “ruska” bereits vorüber und sie hatten alle Blätter abgeworfen. Es war längst Zeit, nach Norwegen zu gelangen, bevor der Winter mit all seiner Strenge vor der Türe stehen würde.

Diesen Artikel kommentieren
Bildergalerie zu diesem Thema

Kommentieren:

Weitere Artikel