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71° 10′ 21″ - Das Nordkap als Sehnsuchtsort

71° 10′ 21″ - Das Nordkap als Sehnsuchtsort

Verfasst von am am 16.03.2018 um 20:47.

Was gibt es am Nordkap eigentlich zu sehen, was es sonst in Norwegen nicht gibt? In den Genuss atemberaubender Ausblicke inmitten einer gigantischen Kulisse aus Meer, Klippen und weit entfernten Horizont kommt man an anderen Orten in Norwegen auch.

Genau genommen ist das Nordkap nicht der nördlichste Punkt des europäischen Festlandes, wie oft behauptet wird, sondern nur der nördlichste Teil Europas, der auf einer Straße zu erreichen ist. Trotzdem verzeichnet der Ort im hohen Norden, wo Barentsee und Europäisches Nordmeer aufeinandertreffen, jährlich 200.000 BesucherInnen.

Noch ein Frühstück am Porsanger Fjord, bevor wir uns auf den Weg zum Nordkap machen.

Die meisten kommen im Sommer, wenn zwei Monate lang die Sonne nicht untergeht und sich das Plateau des Kaps zur Beobachtung der Mitternachtssonne anbietet. Die Felswand des Kaps ragt an ihrem höchsten Punkt imponierende 307 Meter empor und beeindruckt BesucherInnen mit einer weiten Sicht auf das Eismeer. 

Wir machten uns Anfang Oktober bei strahlendem Sonnenschein auf dem Weg zum Nordkap. Gerade einmal eine Nacht hatten wir davor in Norwegen verbracht - die Übernachtung am weitläufigen Porsanger Fjord war kalt, am Morgen lachte allerdings die Sonne durch die Fenster des Gs und ließ den Frost der Nacht dahinschmelzen.  

Dementsprechend hoffnungsvoll waren wir, dass uns der Wettergott auch für die nächsten Stunden Fahrt zum Nordkap gut gesinnt sein würde. So oder so, wir fühlten uns kleidungs-technisch gut ausgerüstet und waren entschlossen, jeder erdenklichen Wettersituation, die wir vor Ort vorfinden würden, zu trotzen. 

Der Weg ist das Ziel 

Allein der Weg zum Nordkap ist schon eine Reise wert. Die einzige Straße zum Kap führt durch eine umwerfend schöne Landschaft ohne sie zu zerstören. Über Fjorde und rund um Berge windet sie sich entweder sanft oder geht mitten hindurch, weshalb  auf der Strecke auch einige Tunnel liegen.

Der Weg zum Nordkap - spektakuläre Landschaft und viele Tunnel.

Der spektakulärste ist sicherlich der Nordkaptunnel, der auf die Insel Magerøya, wo sich das Kap befindet, führt. Sofern man nicht mit dem Schiff oder per Luft anreist, muss er also passiert werden. Wir hatten keinen blassen Schimmer von diesem Tunnel. Natürlich, beim Blick auf die Karte wussten wir, dass auf der Strecke mehrere Tunnel zu durchfahren wären, aber verschwendeten keinerlei weitere Gedanken daran. 

Ahnungslos näherten wir uns also dem Nordkaptunnel.  “Achtung: Nebel im Tunnel” las ich noch auf einem Schild vor der Einfahrt, kurz bevor uns das Dunkel verschlang. Nun ging es erst einmal im 9%igen Gefälle bergab und bergab. Es roch nach Feuchtigkeit und je weiter wir rollten, desto nebliger wurde es. “Du weisst, was das jetzt ist, oder?” fragte mich Christian vom Fahrersitz aus. Noch bevor ich antworten konnte, jubelte er “Wir fahren unter dem Meeresspiegel”. Ich konnte ob dieser Tatsache wenig Freude aufbringen - nur ein paar Betonwände zwischen uns und der gesamten Wucht des Meeres? Stattdessen beobachtete ich kritisch die Übergänge der Betonschalen an denen immer wieder Wasser hinab rann.  

Nach jedem Bergab folgt meist auch ein Bergauf, so auch in diesem Tunnel. Langsam schob sich der G also wieder Richtung  Ausfahrt. Meter um Meter, bis endlich das ersehnte Tageslicht wieder zu erkennen war. Fast sieben Kilometer ist der Unterwassertunnel lang und liegt an der tiefsten Stelle 212 Meter unter dem Meeresspiegel. Nur gut, dass ich die Fakten dazu erst später erfuhr, denn die sieben Kilometer kamen mir auch ohne diesem Wissen wie eine Ewigkeit vor. 

“Es gibt Orte, wo der Mensch nicht hingehört”, philosophierte ich, nachdem wir den Tunnel hinter uns gelassen und ich meine Sprache wiedergefunden hatte. Übrigens, auf dem Weg retour war das Passieren des Tunnels kein bisschen weniger aufregend für mich als beim ersten Mal - was mich wohl klar als Klaustrophobikerin outete. 

Viel Sonne am Nordkap-Plateau

An der kleinen Stadt Honningsvåg vorbei ging es immer weiter nördlich. Die Straße, die bisher vor allem entlang des Meeres verlief, setzte nun ihren Weg im Landesinneren fort.

Traumhaft schlängelt sich die Straße in Richtung Nordkap.

Nicht minder schön waren diese letzten Kilometer durch eine karge Hochebene mit kleinen Seen in denen sich der blaue Himmel spiegelte. Die Sonne stand kurz nach 15 Uhr schon tief und fühlte sich mit ihrem weißen Licht so ungewöhnlich an, dass wir froh waren, Sonnenbrillen dabei zu haben. 

Es ging bergauf, der G, der an diesem Tag schon einiges geleistet hatte, plagte sich unermüdlich die letzten Meter der Strasse hoch. Dann endlich, ein Schild verriet uns, dass wir angekommen waren. Das Nordkap lag nur mehr wenige Meter vor uns. Ich zückte meine Geldbörse, da ich erwartete nun die Tickets bei der Einfahrt bezahlen zu müssen. Aber der Schranken war hochgeklappt und der Ticketstand unbesetzt. Kein Mitarbeiter war weit und breit zu erspähen, weswegen wir die Schranke passierten und am Parkplatz stehen blieben.

Wir waren überrascht über die wenigen, an zwei Händen abzählbaren Autos. Andererseits hatten wir bereits auf der Straße bemerkt, dass uns mehr Fahrzeuge entgegen gekommen waren, als mit uns in dieselbe Richtung fuhren.

Ganz alleine am Nordkap - was will man mehr?

Noch verdutzter waren wir, als wir ausstiegen und beim Griff zur Winterjacke feststellen, dass wir diese ob der hohen Temperaturen wohl gar nicht benötigen. Die Sonne schien noch, der Wind war kaum bemerkbar. Ich grinse in mich hinein, bis Christian es ausspricht: “Da haben wir uns so viele Gedanken über die arktischen Temperaturen am Nordkap gemacht und jetzt hat es gefühlte 15 Grad?” 

Wir machten uns gleich auf den Weg zur Klippe, an der eine Weltkugel, dem Wahrzeichen des Nordkaps, thront. Das Besucherzentrum, das verschiedene Ausstellungen anbietet, sowie ein Restaurant, Souvenirgeschäft, Postamt und sogar einer Kapelle umfasst, hatte bereits geschlossen. 

Einige wenige BesucherInnen schlichen um die Weltkugel herum, machten Fotos und verschwanden schnell wieder. Wir schätzten uns glücklich, dass es an diesem Tag nicht allzu viele Personen in den Norden verschlagen hatte und bestaunten am Nordkap-Plateau beinahe völlig allein die untergehende Sonne.

Eine Nacht am nördlichsten Parkplatz Europas

Die Frage nach einem Stellplatz hatte sich bald geklärt, nachdem wir beobachteten wie sich ein paar andere Camper am Parkplatz offensichtlich für einen Aufenthalt über Nacht eingerichtet hatten. 

Am Parkplatz kann man mit einem atemberaubenden Ausblick übernachten.

Wir stellten uns ins hinterste Eck des Parkplatzes, mit freier Sicht über die Klippen und verbrachten eine außergewöhnlich warme Nacht am wahrscheinlichst nördlichsten Parkplatz Europas. Am nächsten Morgen um 7 Uhr war es uns vergönnt den Sonnenaufgang am Nordkap-Plateau zu beobachten. Dieses Mal ganz allein, ohne andere BesucherInnen um uns herum. 

Auch wenn das Nordkap nicht der exakt nördlichste Punkt Europas ist, so fühlte es sich doch ein wenig wie das Ende der Welt an. Dort zu stehen war ein erhabenes Gefühl - das   Donnern der Wellen die unter einem gegen die Felswand des Kaps schlagen und der Blick auf die unendliche Weite des Meeres ließ uns verstehen, warum das Nordkap für viele ein Sehnsuchtsziel ist. 

Nach einem ausgiebigen Frühstück verließen wir gegen 11 Uhr den Nordkap Parkplatz und bemerkten, dass das Besucherzentrum gerade aufsperrt und auch der Ticketschalter vor dem Parkplatz besetzt ist. Ohne Absicht hatten wir also einige Stunden am Nordkap verbracht, ohne dafür Eintritt zu bezahlen. Sicherlich ungerecht gegenüber zahlenden BesucherInnen, allerdings war die Tatsache, in einem teuren Land wie Norwegen ein wenig Geld gespart zu haben, auch nicht gerade verkehrt. 

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